Alle an der Berufsbildung Beteiligten fit machen

Die Wirtschaftsstruktur wird von der Digitalisierung beeinflusst. Davon betroffen sind alle gesellschaftlichen Lebensbereiche und damit auch die Berufsbildung. Im Rahmen der Berufsmesse diskutierten Fachexperten in Anwesenheit von 160 Berufsbildnern im Thurgauerhof.

Hansjörg Brunner, Präsident des Thurgau Gewerbeverbandes, Peter Maag von der Industrie- und Handelskammer Thurgau und Marcel Volkart, Chef des Amtes für Berufsbildung und Berufsberatung Thurgau begrüssten rund 160 Berufsbildnerinnen und Berufsbildner. Das Thema: «Digitalisierung in der Berufsbildung» ist in aller Munde. Die Bedeutung muss allerdings noch etwas klarer definiert werden.

Bildungspartner sprechen von elektronischen Patienten- und Schülerdossiers bis hin zur digitalen Transformation. Moderatorin Sabrina Lehmanns erste Frage an die Podiumsteilnehmer über den Fluch oder Segen der Digitalisierung erübrigt sich. Die Richtung für die Digitalisierung in der Bildung ist angezeigt. «Alles noch weit weg», sagen manche. Einig sind sich die Podiumsteilnehmer über die grossen Herausforderungen, Beteiligte dafür fit zu machen. Auch Datenschutz und Amtsgeheimnis sind Themen. Eine verstärkte Zusammenarbeit mit Berufsbildnern und Ük-Leitern braucht es auf allen Ebenen. Junge Leute auf das Leben vorbereiten und sie in allen Berufen auszubilden, ist der eine Aspekt. Lehrpersonen maximal auszubilden und digitale Kompetenz zu definieren eine Kür.

Digitalisierung sorgfältig adaptieren

«Das System muss nicht radikal umgebaut werden», sagt René Strasser. Der Rektor des Bildungszentrums für Technik (BZT) in Frauenfeld setzt sich für das duale Berufsbildungssystem ein, welches gezielt aufgebaut und gestärkt werden soll. Digitalisierung sorgfältig adaptieren. Das BZT mischt bereits vorne mit, den Berufsnachwuchs für die Anforderungen des modernen Berufslebens fit zu machen. Das während einer Pilotphase von vier Jahren erarbeitete pädagogische Medienkonzept zur Digitalisierung wird am BZT seit diesem Schuljahr im Unterricht voll umgesetzt. So können durch die Anwendung der neuen Medien im Unterricht beispielsweise alle Lehrpersonen und Lernenden jederzeit ihre Inhalte auf der Leinwand abbilden, sich in eigenen Chaträumen über Fragen, Probleme und Projekte ortsungebunden austauschen. «Wir können die Unternehmen des Wirtschaftsstandortes Thurgau sowie auch gesamtschweizerisch mit gut ausgebildeten Lernenden unterstützen», sagt Strasser.

Am Podium betont Strasser: «Das wichtigste ist, dass wir eine Bereitschaft zur Veränderung zeigen.» Die herkömmlichen Lösungsansätze genügen nicht mehr, ein typisches Beispiel sei der Beruf des Informatikers, der noch im alten System wirkte. Nun brauche es ganz neue Instrumente. Die Bildungspartner seien daran, für die entsprechenden Berufe die Kompetenzen neu zu definieren, so Strasser.

Digitale Kompetenz definieren

Ralph Kugler macht deutlich: «Dass bisher nicht alles falsch gelaufen ist.» Doch es gebe gewisse Prozesse und Bereiche etwa in der Schule, die sich nicht digital transformieren lassen. Vieles beinhalte auch Prozesse einer höheren Ordnung. Etwa lassen sich in Schülerdossiers nie alle Daten erfassen. Die digitale Veränderung würden nicht alle zu gleichen Teilen mittragen können. Auch die lernübergreifende Zusammenarbeit sei für die Kommunikation viel einfacher.

Für Agnes König, die Pflegedirektorin am Kantonsspital Münsterlingen ist die Digitalisierung und Bildung ein notwendiger Prozess. Elektronische Patienten- und Schülerdossiers lösen die bisherige physische Aktenablage ab. Die Betriebe seien gefordert im Umgang damit, Fachkompetenz zu entwickeln. Auch Ärzte können Expertentools nutzen. «Machbar ist vieles», so König. Es brauche ein Konzentrat auf das Wesentliche. Handlungskompetenzen im heute zu definieren und hinschauen, was Fachleute in dieser Branche können müssen; dazu brauche es die Technik und den Menschen. Schule und Berufsbildner sollen dazu befähigt werden. Es sei notwendig, Bildungsverantwortliche zu unterstützen.

Minimale Computerkenntnisse von Schülern

«Ohne Computer geht fast nichts mehr», sagt Thomas Fehr, der Leiter Finanz- und Betriebswirtschaft der Bioforce AG in Roggwil. Doch oft seien die Computerkenntnisse von Jugendlichen minimal. Rasch sei erkennbar, dass Sekundarschüler, die Schnuppertage absolvieren, kaum Wissen angeeignet haben, wie sie sich im Netz informieren können. Dabei gehe es in der Praxis um viel mehr, als nur um das chatten. Fehrs Rat kommt daher postwendend: «Dass Schulen nicht zuviel evaluieren, sondern Aktivitäten für die Praxis gestalten.»

Auch Kugler definiert klare Aufträge an die Kantone zur digitalisierten Identität. Ein Beispiel aus Dänemark weise zwar auf Extreme hin. Die Schule sei nicht gerade die agilste Institution, wenn es um Zukunftsthemen gehe. «Kinder gehen in die Schule, um zu lernen und da muss man mehr für Chancengleichheit schauen», sagt Kugler. Die technische Entwicklung beeinflusse die Gesellschaft stark.

Lösungsorientiert in einer sich ändernden Zeit

Der Leitmedienwechsel stellt die Schule vor grosse Herausforderungen. Welche Kompetenzen Schüler in einer digitalisierten, zunehmend automatisierten Welt benötigen, ist derzeit Diskussionsstoff für Bildungspartner. In rasendem Tempo verändert die Digitalisierung die Gesellschaft. Innerhalb weniger Jahre hat sich die Art und Weise grundlegend gewandelt, wie kommuniziert und informiert wird.

«Der Computer hat das Buch als Leitmedium abgelöst», sagt Ralph Kugler in seinem Referat. Kompetenzen, so spielt der Co-Leiter des Instituts ICT & Medien an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen (PHSG), auf das Schulfach «Medien und Informatik» an der Volksschule an, seien zentrale Themen der Allgemeinbildung. Dafür müssen Schüler und noch mehr die Lehrpersonen fit gemacht werden. Die Weiterbildung von amtierenden Lehrpersonen soll systematisch gefördert werden. Auf dem visionären Weg hin zur digitalen Transformation brauche es weder pauschale Ablehnung noch eine naive Euphorie - sondern vielmehr den informierten Pragmatismus.

Um besser zu werden, brauche es die Unternehmen und die Schule gemeinsam.