15. Thurgauer Berufsbildungsforum «Demografischer Wandel – als Lehrbetrieb attraktiv bleiben»

Wie schaffe ich es als Betrieb oder als ganze Branche, genügend und vor allem gute Lernende zu gewinnen? Mit der Frage setzte sich das diesjährige Thurgauer Berufsbildungsforum in Weinfelden auseinander.

Das Thurgauer Berufsbildungsforum, das zu gleichen Teilen vom Kanton Thurgau, dem Gewerbe Thurgau und der Industrie- und Handelskammer Thurgau getragen wird, fand am Freitagnachmittag im «Thurgauerhof» statt. Das Thurgauer Berufsbildungsforum richtet sich an alle, die sich mit der Ausbildung von Jugendlichen in der dualen Berufsbildung befassen. Moderiert wurde die Tagung von Sabir Semsi.

Marcel Volkart, Chef des Amts für Berufsbildung und Berufsberatung des Kantons Thurgau, verwies auf Zahlen, die ihm gleichermassen Grund zur Freude wie zur Sorge geben. «Es ist schön, dass wir fürs nächste Jahr bereits 2'427 abgeschlossene Lehrverträge haben. Unschön ist hingegen, dass nach wie vor 568 Lehrstellen noch nicht besetzt sind». An was das liege, könne er nicht sagen, höchstens Mutmassungen anstellen. Das Ziel aller in der Berufsbildung tätigen Menschen müsse jedoch klar sein, dass die Zahl der offenen Lehrstellen bis zum nächsten Sommer massiv sinke.

Mehr offene Stellen denn je vorhanden
Nach einem wirtschaftlichen Tour d’Horizon, der die Klimakrise, das Coronavirus, den Arbeitskräftemangel, den Ukraine-Krieg, die Verteuerung der Rohstoffe und die steigende Inflation beinhaltete, kam Daniel Wessner, der Chef des kantonalen Amts für Wirtschaft und Arbeit zum Schluss, dass aktuell viele Junge ihre (Lehr-)Stelle aussuchen könnten. «Heute fragt der Bewerber die Firma, was sie ihm bieten könne – und nicht umgekehrt». Dazu gehöre, dass viele junge Arbeitnehmende zwar leistungsbereit seien, zugleich aber sehr auf eine ausgewogene Life-Balance achteten. «Als ich fertig war mit dem Studium in St. Gallen, gab es für viele von uns allem zwei Ziele: viel verdienen und möglichst viele Flugmeilen sammeln. Doch die heutige Generation tickt anders», so Wessner. Der Wunsch, den Fachkräftemangel durch einen höheren Automatisierungs- und Digitalisierungsgrad in den Firmen bekämpfen zu können, sei hingegen illusorisch, denn «der technologische Wandel schafft nicht weniger, sondern nur andere Jobs». Tatsache sei: «Wir haben heute mehr offene Stellen als vor der Corona-Krise», so Wessner.

Andreas Neff, Vorstandmitglied der Konferenz Thurgauer Sekundarschullehrkräfte, erachtete es als für die Entwicklung der Heranwachsenden als kontraproduktiv, wenn die Schülerinnen und Schüler teilweise schon im achten Schuljahr einen Lehrvertrag unterschreiben könnten. Den Eltern, Lehrkräften und Schülern riet er zu mehr Geduld bei der Lehrstellensuche. Das A und O für eine gute, solide Berufswahl könne erreicht werden, wenn man die Heranwachsenden möglichst viele und unterschiedliche Schnupperlehren absolvieren lasse, denn «die Jungen sind als Achtklässler vom Wissensstand und in ihrer Entwicklung noch nicht so weit, dass sie eine sichere Wahl treffen können.»

Echtheit vorleben und Begeisterung vermitteln
Iris Brändli vom Gewerbeverein Aadorf erachtete die lokale Berufswahl-Tischmesse «Job4U», welche stets anfangs Jahr in Aadorf durchgeführt wird als ein gutes Werkzeug, um mit den verschiedenen Berufen an die Schülerinnen und Schüler zu gelangen, «denn dabei geht es in erster Linie um den persönlichen Kontakt». Lucia Röllin, Leiterin der Confiserie Mohn AG, verdeutlichte, dass nur Authentizität dem Schnupperstift gegenüber zum langfristigen Erfolg führe. Dazu gehöre auch, dass diese am frühen Morgen im Betrieb mitschafft. «Es bringt doch nichts, wenn ich der schnuppernden Person sage, dass sie erst am halb acht am Morgen kommen soll, wenn sie später um drei Uhr in der Backstube sein muss. Sie soll schliesslich erleben, wie es dann später im Beruf zu und hergeht». Ähnlich klang es aus dem Mund des Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Thurgau, Christian Neuweiler. «Ich bin überzeugt davon, dass wir auch in Zukunft viele junge Menschen für unsere Berufslehren begeistern und sie auch langfristig in den Branchen halten können, wenn es uns gelingt, sie zu begeistern, indem wir sie ernst nehmen und sie in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung fördern – auch gerade dann, wenn es mal nicht so läuft wie gewünscht».


Bildlegende: Sie diskutierten darüber, was Firmen tun können, damit sie und ihre Branche auch langfristig genug Berufsnachwuchs haben, v.l.n.r.: Andreas Neff, Sabir Semsi, Lucia Röllin, Iris Brändli und Daniel Wessner.

Quelle: Christof Lampart