Viele Lehrstellenabbrüche wegen zu schnellen Lehrstellenzusagen

Mangelt es der Gen Z an Durchhaltevermögen? Fast scheint es so – denn seit Jahren nehmen die Lehrabbrüche zu. Doch im Thurgau sieht es besser aus als im Schweizer Durchschnitt.

Was kann man tun, dass Lernende ihre Lehre nicht abbrechen? Wie fessle ich Junge emotional an eine Firma? Und wie kann man einen Lehrabbruch als Chance nutzen? Diese Fragen standen im Fokus des Thurgauer Berufsbildungsforums, das am Freitag im «Thurgauerhof» in Weinfelden vom Kanton Thurgau, dem Thurgauer Gewerbeverband und der Industrie- und Handelskammer Thurgau organisiert wurde.

Durch Zuwarten entsteht Zwang
Der Präsident vom Thurgauer Gewerbeverband, Hansjörg Brunner, gestand vor 130 Zuhörenden, dass auch er während der Druckerlehre hinschmeissen wollte: «Ich wollte plötzlich etwas mit Sportartikeln machen, aber nach einem Gespräch mit meinen Eltern war das Thema schnell wieder beendet», erinnerte er sich. Als Druckereiunternehmer erachte er es als «schlimm», wenn Lehrbetriebe und Schüler zu lange mit der Rekrutierung, bzw. Bewerbung zuwarteten, bis sie in eine Zwangslage gerieten. Viele Lehrabbrüche könnten dem Umstand geschuldet sein, dass «ein Betrieb spät noch einen Lernenden sucht und so jemanden nimmt, von dem er nicht überzeugt ist. Dasselbe gilt auch umgekehrt. Es wäre aber wohl manchmal gescheiter, wenn man die Finger von einer Lehrstellenvergabe liesse, wenn das Bauchgefühl schlecht ist», so Brunner. Die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Thurgau, Kris Vietze, erklärte, dass es nicht gut sei, wenn Betriebe schon 13-jährige mit einer Lehrstelle köderten, denn «in dem Alter ist man doch noch sehr Kind und kann noch gar nicht richtig abschätzen, was auf einen zukommt».

Manchmal ist ein Neuanfang angesagt
Falls es zu einem Lehrabbruch komme, sollte alles darangesetzt werden, dass «es zu einer Anschlusslösung kommt», betonte Stefan Curiger, Leiter Betriebliche Bildung und Berufsinspektor beim Amt für Berufsbildung und Berufsberatung des Kanton Thurgau. Zwar sei auch im Thurgau die Zahl der Lehrstellenabbrüche zunehmend, aber im nationalen Vergleich stehe der Kanton gut da. „In der Schweiz werden 22,4 Prozent der Lehren aufgelöst, im Thurgau 9,8 Prozent“, so Curiger. In den Zahlen sind nicht nur die Lehrabbrüche enthalten, sondern auch die Niveauwechsel. „Je rascher man eine unglückliche Lehre abbricht, desto besser ist es“, so Curiger.

So sah es auch Jon Canosa Dominquez, der seine Elektronikerlehre im zweiten Jahr abbrach. „Ich hatte eine Verletzung, verpasste so viel Schulstoff und bekam psychische Probleme. Ich begriff, dass es besser wäre, aufzuhören und neu anzufangen. Heute bin ich mit meiner Lehre als Montage-Elektriker glücklich“. Andreas Haueter, Geschäftsführer der Elektro Arber AG pflichtete ihm bei – und nahm die Firmen bei der Beendigung eines Lehrverhältnisses in die Pflicht, denn „es gibt doch allen ein viel besseres Gefühl, wenn man sieht, dass jemand erfolgreich ist“. Wichtig sei nur, „dass man etwas macht und positiv in die Zukunft geht“, so Haueter. Esther Schweingruber, HR-Verantwortliche bei der Zur Rose Suisse AG freute sich für den Lernenden, gab aber zu verstehen, dass eine Aufgabe grundsätzlich „nichts Positives“ sei. Umso sorgfältiger gelte es alle Optionen abzuwägen, bevor man eine Lehre abbreche.

Häufige Feedbacks sind sehr wichtig
Fabio Emch, CEO der aufs Jugendmarketing spezialisierten Jim & Jim AG, fragte, wie Firmen attraktiv für Ausgelernte bleiben könnten. Denn die Gen Z habe andere Bedürfnisse wie die Generationen vor ihr. Ganz wichtig seien ihr häufige und schnelle Feedbacks vom ganzen Team: „Die Gen Z ist sich durch den Umgang mit den Sozialen Medien gewohnt, schnell und stetig Antworten auf ihr Tun zu bekommen“, so Emch. Weniger wichtig sei bei der Gen Z der Lohn: „Viele wollen sich nicht mehr kaputt arbeiten und achten auf ihre Work-Life-Balance. Das Einkommen hat bei der Gen Z erst die neunte Priorität“, so Emch. Aber das könne sich in Krisen auch wieder ändern. „Während Corona war das Geld an dritter Stelle“, so Fabio Emch.

Text und Bild: CHRISTOF LAMPART